Die Anregung für diesen Artikel erhielt ich bei der Lektüre eines Artikels, den Anja von „Das Tuten der Schiffe“ veröffentlichte. Darin schreibt sie über das Thema Burnout und Depression, und erwähnt in folgendem Satz auch Social Media:
„in der tat bemerkte ich seit einiger zeit, dass ich mit sarkasmus auf die immer happy dargestellten welten reagiere, die uns in der social-media-welt begegnen….“
Meine erste Reaktion war: Stimmt!
Viele Inhalte, und das führt Anja auch noch etwas weiter unten in ihrem Artikel aus, zeigen die heile Welt – meist Blogs oder Bilder auf Instagram: Perfekt eingerichtete Häuser oder Wohnungen, mit Styling- oder DIY-Tipps zum noch schöneren Heim oder der perfekten Deko. Toll arrangierte Gerichte aus der eigenen Küche, schick fotografiert (ohne Styling-Workshop-Kenntnisse geht da nix). Oder natürlich das optimal abgestimmte Outfit des Tages.
Keine Sorge, ich will hier kein Blogger-Bashing betreiben.
Aber: Es gibt diese Blogs, es gibt diese Artikel, und wenn man selber gerade nicht in der Laune oder der Lage ist, „perfekte Welten“ oder perfekte Inhalte zu bieten, deprimieren solche Posts.
Natürlich sieht es (hoffe und denke ich!) auch bei denen anders hinter den Kulissen aus, die solche Artikel verfassen. Jede Küche muss nach dem Kochen sauber gemacht werden, der Abwasch wartet. Die Wollmäuse überfallen auch perfekt gestylte Wohnzimmer, wenn nicht gesaugt wird, und die Fenster putzen sich nicht allein.
Nur: Das sieht man nicht. Zu leicht lassen wir uns beeindrucken von tollem Styling. Chipstüte, Kabelsalat oder der Berg ungelesener Zeitungen passen nicht ins Foto? Weg damit! Obwohl im Rücken des Betrachters unsichtbar vielleicht all das liegt, was eben nicht aufs Bild passte.
Ist die Social-Media-Welt also nur „happy-happy“?
Ja, wenn man das sieht, was man sieht, und den Rest nicht. Lese ich nur über perfekte Dinge – übrigens egal, ob auf Blogs oder auch Promi-News in Klatschblättern, die eine ebensolchen Anschein vermitteln wollen! –, weckt dies den Neid in mir. Oder den Frust, dass *ich* schon wieder putzen müsste. Aber es ist zum Teil eine Scheinwelt.
Aber und andererseits:
Nein, denn bei anderen ist auch nicht alles Gold, was glänzt. Die Scheinwelt ist bunt, kreativ und regt mich vielleicht dazu an, meine Wohnung umzuräumen oder eigene Projekte zu beginnen. Sie ist also Inspiration.
Was ist die Konsequenz? Perfektes Bloggen?
Als Social-Media-Frau, die hier bloggt, überlege ich mir: Wie persönlich darf mein Blog auf schokofisch sein und wie viel reine Fachthemen und -informationen vermittle ich? Was ist die perfekte Dosierung?
Haaalt! Wieder in die Falle geraten: die „perfekte“ Mischung? Das klingt ja schon wieder nach Hochglanzmagazin und heiler Welt!
Also: Natürlich werde ich kein Wundermittel finden. Sondern jeder entscheidet selbst. Du überlegst für dich, über welche Inhalte du schreibst. Dabei wird (d)eine Individualität entstehen.
Bei mir kommt eine schokofisch-Inga-Mixtur dabei raus. Denn ich möchte keine Scheinwelt aufbauen, nicht von persönlichen Kontakten hören, dass ich hier ganz anders auftrete, als ich in der Realität bin.
Ein paar wichtige Punkte:
- Authentizität, auch wenn das im Moment überall zu lesen ist und in Gefahr ist, als Floskel zu verarmen: Interessant ist, was persönlich ist. Und: was auch realistisch ist. Erzählst du, dass du dir mit goldenen Zahnbürsten die Zähne pflegst, wäre das (vielleicht…) persönlich – aber nicht realistisch.
- Storytelling kann dabei helfen: die Einbettung von Themen in einen persönlichen Kontext. So kann selbst Waschbeton sexy rüberkommen, wenn die Geschichte gut erzählt wird.
- Die Mischung macht’s: Sach-, Fach- und persönliche Themen abwechselnd. Klar darf dabei auch mal etwas gestyltes vorkommen. Im Moment schreibe ich selber viel über Herzensthemen – weil sie „dran“ sind. Aber vielleicht ist nächste Woche auch wieder etwas zu einer neuen WordPress-Funktion dabei.
- Zwischen Glamour und Klage: Weder deine eigene Überhöhung („ich bin so toll, weil…“) noch deine andauernden Leiden („Und keiner hat mich lieb“) sind auf Dauer spannend für deine Leser. Sondern Vielfalt.
Ich gebe Anja also recht, was ihr Zitat von oben angeht. Und setze einen großen bunten gemischten Salat dazu, der mit Individualität, Persönlichkeit und Vielfalt angemacht ist!
Wie sieht deine persönliche Blog-Mischung aus?
Happy-happy oder Neutralität? Bist du für Persönlichkeit im Blog, oder für die sachliche Vermittlung von Inhalten? Ich bin gespannt…!
Liebe Inga,
gute Frage!
Du hast schon Recht, alle schreiben immer nur ihre positiven Erlebnisse bis hin zu „Ich bin der Tollste auf der Welt“. Doch ab und zu sieht man auch Nachdenkliches, sehr Persönliches und auch Problematisches.
Als ich begann mit dem Bloggen war es auch sehr thematisch korrekt und mega sachlich, trotzdem hoffentlich authentisch. Im Laufe der Zeit hat sich das gewandelt. Ich bin ehrlicher, persönlicher geworden und versuche Einblicke zu geben, dass nicht immer alles nur Gold ist. Es gelingt mal mehr mal weniger.
Wir wollen uns eben in der Öffentlichkeit mit unserer Schokoladenseite 😉 zeigen und das bringt dann vielfach Deine Wahrnehmung von happy zum Vorschein.
Liebe Grüße
Silke
Liebe Silke,
klar würde ich auch nichts schreiben, um mich selber schlecht zu machen und möchte natürlich auch meine Kompetenz und Professionalität betonen 😉
Ich selber mag aber immer die „Geschichte dahinter“: hinter den Themen, der Person. Und lese zB *immer* die Über-mich-Seite auf Webpages! Oder generell gerne Biografien. Daher mag ich’s persönlich.
Aber du hast sicher recht: Das „wie macht man es richtig“ wandelt sich auch…
Herzliche Grüße
Inga
Liebe Inga!
Ich schließe mich Silkes Kommentar an: Gute Frage! Ich habe meinen Weg im Netz noch nicht gefunden. Weder auf Facebook, noch auf Twitter. Und schon gar nicht im Blog. Aber vielleicht ist es gerade dieser Blogbeitrag, der mich dem näher bringt. Denn deine Worte bringen es auf den Punkt. Punkt.
Liebe Grüße
Melanie
Liebe Melanie,
vielen lieben Dank! Es ist ja auch nicht einfach – und wahrscheinlich auch im Fluss. Aber du weißt: es freut mich, wenn ich dich etwas geschubst habe ;-))
Liebste Grüße
Inga
Schön geschrieben! In meinem Blog gibt es nur Fachartikel. Meine Social Media-Profile bei Facebook, Twitter und Instagram nutze ich beruflich und privat, dort gibt es auch Einblicke in mein Leben. Allerdings poste ich dort tatsächlich nur „schöne“ Dinge und nicht den Kabelsalat – den hat ja, wie Du ganz richtig sagst, eh jeder daheim und den muss ich nicht auch noch posten. 🙂 Ich selbst empfinde die von dir oben sehr treffend und humorvoll beschriebenen Instagram-Accounts eher als Bereicherung und Ansporn und habe zugegebenermaßen auch einige davon abonniert. So kann ich in schönen Bildern „schwelgen“ und mich inspirieren lassen.
Merci, liebe Christiane!
Du hast recht: es hängt ja von der eigenen Einstellung ab, ob mich die „schönen Dinge“ frustrieren (weil zu perfekt) oder eben anspornen. Ich denke, sich dessen bewusst zu sein, hilft da schon! 😉
Und zu privat: Ich schreibe ja noch auf meinem „Zweitblog“ irgendwieschoen.de – dort geht es dann auch bei mir eher um Freizeitdinge, gerne gelesene Bücher oder Fototouren, die eben thematisch hier keine Anknüpfung finden. Daher ist diese Trennung ganz sinnvoll, finde ich.
Herzliche Grüße!
Inga
Liebe Inga !
Dieser bunte persönliche Salat von Dir hat mir wieder einmal gut gefallen und ein herzliches Schmunzeln auf mein Gesicht gezaubert!
Gerade erst habe ich gedacht: ich selbst bin ziemlich Fb – und Xing-müde und dachte: hab auch schon wieder eine Weile nix von Inga gelesen; aber das hat mir jetzt gefallen!
Da ich bis zu meiner Abreise nach Samos Mitte Juni jedes Wochenende Seminararbeit mache hauptsächlich Unis) werden wir uns wohl erst im August wiedersehen und dann u.a. auch über Blogs, Fb usw. austauschen.
Ich mag Deine Blog-Beiträge sehr!
Herzliche Grüße an Dich, Thomas und die Katzen
Liebe Friederike,
vielen Dank und liebe Grüße zurück – du hast eine E-Mail! 😉
Inga